Mit der Roald Amundsen über die Ostsee

Seit ich in Hamburg immer mal wieder Großsegler auf der Elbe beobachten konnte, faszinierten mich diese und ich fragte mich, wie es wohl wäre, darauf zu Segeln. Also beschloss ich, es einfach mal auszuprobieren und informierte mich über die verschiedenen Schiffe. So stieß ich schnell auf die Brigg Roald Amundsen und meldete mich für den Törn Rostock- Mariehamn an. Das Besondere an diesem Törn war, dass er im Rahmen des Projektes veter in volny (rus.: Wind und Welle), eines deutsch-russischen Jugendaustausches, stattfand, d.h. die Hälfte der Teilnehmer kommt aus Russland, die andere Hälfte aus Deutschland.

So kam es, dass ich Anfang August meinen 4m Laser gegen die ca. 50m lange Roald Amundsen tauschte. Statt einem 5,7 Quadratmeter Segelfläche nun bis zu 850 verteilt auf 18 Segel an zwei Masten. Außerdem 47 Mitsegler, ich war bis jetzt maximal vier gewöhnt. Äußerst gespannt machte ich mich also auf den Weg nach Hamburg, wo wir für die ersten zwei Tage blieben, um uns kennenzulernen und Hamburg anzuschauen. Dort konnten wir uns auch schon an das Übersetzen durch die Teamerinnen gewöhnen, denn jede Ankündigung wurde in die jeweils andere Sprache übersetzt. 2019 roald1Dies war zwar etwas umständlich, da aber nicht alle Englisch sprachen, die einzige Möglichkeit.

Am Montag brachen wir dann endlich in aller Frühe nach Rostock auf, um mittags beim Schiff zu sein, schließlich wollten wir noch am selben Tag ablegen. In Rostock angekommen, erblickten wir nach kurzem Fußmarsch schließlich „die Roald“, umgeben von anderen Großseglern, schließlich hatte am Vortag erst die Hanse Sail geendet. Die Crew war noch damit beschäftigt, die Unmengen an Essen für unseren (und die darauffolgenden) Törn zu verstauen, wir bekamen aber schon mal ein Mittagessen an Deck. Anschließend wurden wir vom Kapitän begrüßt und auf die Kammern und Wachen aufgeteilt.

Auf der Roald wird im Drei-Wach-System gesegelt, wobei eine Wache immer vier Stunden dauert, d.h. man hat immer einmal nachts und einmal tagsüber Wache. Eine Wache besteht immer aus Steuermann, Toppsgast, Deckshand und Deckshandanwärter sowie 10 Teilnehmern (Trainees genannt). Ich wurde Teil der Wache drei und hatte damit das Glück, einen halbwegs normalen Schlafrhythmus behalten zu können, denn unsere Wachzeiten waren von 8-12 sowie 20-24 Uhr.

Nach einer Sicherheitseinweisung erhielten wir dann unsere Klettergurte und durften das erste Mal ins Rigg klettern. Da die Roald rahgetakelt ist, müssen zum Segelsetzen und Bergen immer mindestens sechs Personen pro Segel an die Rahen. Schneller als gedacht war es dann auch schon 18 Uhr und wir legten ab und fuhren unter Motor die Warnow entlang. Auf der Ostsee angekommen, erwartete uns leider erstmal Flaute, nichtsdestotrotz setzten wir die ersten Segel. Dann wurden Wache 1 und 2 auch schon von ihren Steuerleuten in die Kojen geschickt, sodass nur meine Wache an Deck blieb. Wir setzten weitere Segel, dennoch machten wir kaum Fahrt. Wir nutzten die Zeit, um das Deck zu erkunden und um einen ersten Überblick über die tausende von Tauen zu gewinnen, schließlich wollten wir ja alle beim nächsten Kommando das Großstengestagsegelfall schnell finden. Außerdem mussten je abwechselnd eine Person „Ruder gehen“, d.h. steuern, sowie eine Person vorne den Ausguck machen. Am Ende der Wache hatten wir zwar kaum Strecke zurückgelegt, man konnte die Lichter von Warnemünde noch immer am Horizont sehen, aber schon viel gelernt und fielen dementsprechend müde in unsere Kojen. Am nächsten Morgen erwartete mich direkt die erste Backschaft, d.h. ich musste unserer Smutine bei der Vorbereitung von Frühstück und Mittagessen helfen. Deshalb wurde ich auch schon um 6 Uhr geweckt. Beim kurzen Blick an Deck war ich überrascht von der Welle und der Fahrt, die wir machten. Anscheinend hatte es um kurz nach Mitternacht gewittert und danach ein schöner Südwestwind eingesetzt.

2019 roald2Dieser Wind ließ uns auch die nächsten Tage nicht im Stich, sodass wir ordentlich Strecke machten Richtung Gotland, wo unser erster Zwischenstopp sein sollte. Da der Wind sehr konstant war, gab es für die Wachen nicht besonders viel zu tun, aber immer noch genug zu lernen, sodass wir von Wache zu Wache besser Bescheid wussten über die verschiedenen Segel und den Belegplan der tausend Taue auch bald mehr oder weniger im Kopf hatten. In der wachfreien Zeit erklärte der Kapitän den Interessierten auch noch die Grundlagen der traditionellen Navigation, und wir durften versuchen, mithilfe des Sextanten und diverser Tabellen unseren Standort zu bestimmen. Auch wenn immer ein Teil der Gruppe am Segeln war, gab es immer Gelegenheiten zum gemütlichen Beisammensitzen in der Messe oder auf Deck.

Am dritten Tag sahen wir dann morgens schon Gotland und gegen Mittag waren wir kurz vor Visby, weshalb bei einem „All-Hands“ alle Segel geborgen und hafenfein gepackt wurden. Nach einem gekonnten Anlegemanöver lagen wir kurze Zeit später auch schon an der Kaimauer. Bevor wir jedoch in die Stadt durften, standen noch ein paar Pflegearbeiten am Schiff an. Neben Streichen stand auch das Labsalen verschiedenster Drahtseile auf dem Plan; der Geruch von Labsal (ich finde ihn ganz angenehm) begleitete uns für die nächsten Tage, genauso wie die Flecken in der Kleidung und das Aufstöhnen, wenn man beim Klettern mal wieder in ein noch nicht trockenes Seil gegriffen hat. Wir blieben zwei Nächte in Visby und hatten somit genügend Zeit, die sehr schöne Altstadt zu erkunden.

2019 roald3Dann hieß es auch schon wieder „Leinen los“ und „Segel setzen“.  Wieder draußen auf der Ostsee übten wir zunächst ein paar Halsen, bevor wir Kurs auf die Stockholmer Schären nahmen. Der Wind war weiterhin super, nur die seitliche Welle bescherte den meisten eine unruhige Nacht. Deshalb waren wir am nächsten Morgen auch schon kurz vor Sandhamn. Und fuhren unter wenigen Segeln langsam durch die Schären. Dabei durfte ich auch ein kleines Stück steuern, was ganz schön spannend war, denn die Roald reagiert sehr verzögert auf Ruderbefehle. Schließlich fanden wir einen schönen Ankerplatz, wo wir die Nacht bleiben wollten. Wer wollte, konnte nun vom Klüverbaum in die eiskalte Ostsee springen. Später fuhren wir mit dem Dingi zu einer kleinen Schäre, um diese zu erkunden (Fazit: keine Blaubeeren), wo wir leider von einem heftigen Regenschauer überrascht wurden.

Am nächsten Morgen ging es dann schon weiter und wir segelten durch die spektakuläre Schärenlandschaft Richtung Åland-Inseln. 2019 roald4Abends waren wir dann wieder auf der offenen Ostsee und konnten einen wunderschönen Sonnenuntergang aus dem Rigg beobachten. Außerdem packten wir die ersten Segel ein, denn man konnte am Horizont bereits die ersten Inseln erkennen; wir wollten ja schließlich nicht schon nachts ankommen. Etwas wehmütig genossen wir unsere letzte Nachtwache. Morgens legten wir dann in Mariehamn an, wo wir uns das Schifffahrtsmuseum mit dem Viermaster „Pommern“ (ein „Flying-P-Liner“) sowie die kleine, unspektakuläre Stadt anschauten. Abends gab es dann noch ein „Captains Dinner“, bei dem alle Wachen mit einem Programmpunkt zur Unterhaltung beitrugen und wir den Törn mit Gitarre und Gesang ausklingen ließen.

Nach dem Reinschiff am nächsten Morgen hieß es dann auch schon Abschied nehmen von Schiff und Crew, denn wir fuhren mit der Fähre nach Stockholm. Dort verbrachten wir nochmals zwei Tage, bevor es dann zurück nach Hamburg ging.

Der Törn hat mir sehr viel Spaß gemacht, woran auch die netten Mitsegler und die tolle Atmosphäre an Bord einen großen Anteil hatten. Schön fand ich auch, wie gut die Kommunikation mit den russischen Teilnehmern geklappt hat, meistens haben wir uns einfach auf Englisch unterhalten, oder es wurde eben übersetzt.  Auch vom Seglerischen her war es sehr interessant und ich habe sehr viel gelernt. Das „Feeling“ ist zwar schon anders als beim Jollensegeln, das Prinzip bleibt aber natürlich das Gleiche. Beeindruckend fand ich auch die gute Organisation an Bord und die Strecke, die man durch das Wachsystem zurücklegen kann (502 Seemeilen in 8 Tagen). Ich hoffe, nächstes Jahr wieder auf der Roald segeln zu können!

Wer noch mehr lesen will, findet auf folgenden Websites viele Infos:
www.sailtraining.de , www.veterivolny.org , www.sta-g.de